„Patienten-Recht“ auf kostenlose Auskunft: nur betreffend datenschutzbezogene Informationen oder nun auch bei anderen legitimenZwecken?
Oder anders: ein Patient möchte die Behandlungsakte in Kopie erhalten. Gegen Kostenerstattung ist das nach § 630g Abs. 2 BGB kein Problem. Doch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO könnte das auch kostenlos gehen. Was gilt nun wirklich?
Das muss nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Grund ist ein erst kürzlich veröffentlichter Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29.03.2022 – VI ZR 1352/20.
Der gesamte Rechtsstreit führte zu der Erkenntnis, dass sich das BGB und die DSGVO widersprechen. Deshalb muss nun der EuGH klären, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ärzte ihre Patienten eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte herausgeben müssen.
Geklagt hatte ein Patient. Er wollte einen möglichen Behandlungsfehler seiner Ärztin prüfen. Hierfür verlangte er die kostenlose Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei ihr existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Argumentativ stützte er sich auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Die Ärztin war nun aber der Auffassung, dass sie nur gegen Erstattung der Kopierkosten eine Kopie der Unterlagen zur Verfügung stellen müsse.
Zunächst gab das Amtsgericht (AG) und in der Berufung auch das Landgericht (LG) dem Patienten Recht. Er könne sich auf sein Auskunftsrecht nach der DSGVO berufen. Daher habe er der Ärztin die Kopierkosten nicht zu erstatten.
Doch der Rechtsstreit ging weiter bis zum BGH. Und der BGH hat nun Zweifel, ob das Auskunftsrecht in der DSGVO auch dann greift, wenn es nicht mit dem Anspruch auf eine datenschutzrechtliche Prüfung begründet wird (Erwägungsgrund 63 der DSGVO).
Denn vorliegend wollte der Patient die Kopie seiner Daten ja zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen eines etwaigen Behandlungsfehlers erhalten, nicht aber zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (Anmerkung: auch nach dem Patientenrechtegesetz dient die ärztliche Dokumentation nicht in erster Linie der haftungsrechtlichen Absicherung).
Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ergibt sich „nur“ ganz allgemein das Recht der betroffenen Person vom Daten-Verantwortlichen eine Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erhalten. Hierbei muss die erste Kopie unentgeltlich erfolgen. Erst für weitere Kopien kann ein angemessenes Entgelt gefordert werden.
Aus § 630g Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch bzw. Patientenrechtegesetz) folgt hingegen das Recht des Patienten, gegen Kostenerstattung eine – auch elektronische – Abschrift der Patientenakte zu verlangen.
Anders formuliert: DSGVO und BGB widersprechen sich. Ein solcher Widerspruch steht dem sogenannten Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“ entgegen.
Durchaus spannend ist, wie der EuGH entscheidet. Er wird auch entscheiden müssen, ob ein Patient die Kosten eines DSGVO-Auskunftsanspruches grundsätzlich tragen muss. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Recht auf eine kostenlose Kopie auch dann besteht, wenn der Betroffene die Kopie zur Verfolgung von legitimen, aber eben datenschutzfremden, Zwecken begehrt.