Möglicherweise sagen Sie sich: es ist ja nur ein „banaler“ Mietvertrag. So geht es vielen Ärzten und Zahnärzten. Die daraus resultierende Sorglosigkeit kann fatale Folgen haben.
Was die meisten nicht wissen, ist folgendes: Sogenannte Nachträge zum Mietvertrag, also Änderungen und/oder Ergänzungen, müssen zunächst zwingend schriftlich fixiert und dann mit dem Praxismietvertrag verbunden werden. Wenn dies nicht geschieht, leidet Ihr Mietvertrag voraussichtlich an einem Schriftformmangel (§ 550 b) BGB).
MedRecht-Hinweis: Folge ist, dass jede Vertragspartei das Mietverhältnis mit der kurzen gesetzlichen Frist von ca. sechs Monaten ohne Angabe von Gründen beenden kann.
Für Praxisinhaber kann das wirtschaftliche und sogar existenzielle Bedrohungen nach sich ziehen. Ohne Räume kann man nicht praktizieren. Sie sind Voraussetzung für die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit und damit oft die berufliche Existenz. Jeder Mietvertrag, der über einen längeren Zeitraum gelten soll, bedarf der Schriftform. Fehlt es an der Schriftform, wird der Mietvertrag so behandelt, als sei er für eine unbestimmte – und nicht eine bestimmte – Zeit abgeschlossen. Das heißt, jede Vertragspartei kann ihn vorzeitig kündigen.
In der Regel sind erhebliche Investitionen des Mieters zur Gestaltung der Praxisräume oder zur Aufnahme des Praxisbetriebs erforderlich. Sie dienen also dem Aufbau und/oder dem Erhalt der (zahn)ärztlichen Existenz. Damit die Investitionen nicht verloren gehen, ist neben besonderen praxisspezifischen Regelungen vor allem auf den Erhalt eines langfristigen Mietvertrages zu achten.
Die Beratungserfahrung von MedRecht zeigt, dass vor allem jüngere (Zahn)Ärzte auf die vom Vermieter vorgelegten Mietvertragsmuster vertrauen und diese keiner rechtlichen Überprüfung unterziehen. Ich erlebe außerdem auch immer wieder, dass während eines langfristigen Mietverhältnisses mündliche Nebenabreden oder Abweichungen vom Praxismietvertrag mit dem Vermieter, sogenannte Nachträge, getroffen, aber nicht unterzeichnet oder mit dem Hauptvertrag nicht fest verbunden werden.
MedRecht-Recchtsprechungshinweis: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden (BGH, Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14 –), dass eine mündliche Änderung der Miethöhe gegen die Schriftform verstößt, so dass ein langfristig abgeschlossener Mietvertrag innerhalb einer kurzen Frist gekündigt werden darf. Das sind bei Praxismietverträgen in der Regel sechs Monate. Da helfen auch keine Verlängerungsoptionen im Mietvertrag.
In dem vom BGH entschiedenen Fall mietete der Arzt eine Immobilie zu einer Miete von 1.350,00 € pro Monat. Das Mietverhältnis sollte bis 30.04.2020 dauern. Ein paar Monate nach Vertragsunterzeichnung vereinbarten Arzt und Vermieter einen neuen Mietzins. Er lag 20,00 € über der bisherigen Monatsmiete. Der BGH entschied, dass auch bei so geringen Betragsänderungen die Schriftform gewahrt werden müsse. Denn die Höhe des Mietzinses sei ein wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages.
Die Brisanz der Rechtsprechung des BGH hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Ist der Mieter dem Vermieter lästig, lässt er zunächst die Einhaltung der Schriftform prüfen. Liegt ein Schriftformverstoß vor, riskiert der Mieter die Kündigung. Das Risiko besteht selbstverständlich auch für den Vermieter. Insbesondere bei finanzierten Ausbauleistungen des Mieters oder Anschaffungen, die mit der Mietsache fest verbunden werden oder nur für diese Raume geeignet sind, ist die Festlaufzeit ein wesentlicher Gesichtspunkt für den Mieter. Der Mieter verliert seine Investitionen, muss ggf. teurere Raume mieten, den Umzug und den neuen Ausbau bezahlen.
Wer nun besorgt seinen Mietvertrag überprüft und vielleicht am Ende eine sogenannte Schriftformheilungsklausel findet, kann sich darauf dennoch nicht verlassen. Wegen der zunehmend strengeren Rechtsprechung haben in der Vergangenheit viele Vertragsmuster versucht, das erhebliche Problem der fehlenden Schriftform durch sogenannte Schriftformheilungsklauseln zu lösen.
Bei einer Schriftformheilungsklausel verpflichten sich die Vertragsparteien für den Fall von Verstößen gegen das Schriftformerfordernis, die eine vorzeitige Kündbarkeit des Mietverhältnisses zur Folge haben können, wechselseitig zum Abschluss eines schriftformkonformen Nachtrags zur Heilung des Schriftformmangels.
Der BGH hat aber entschieden, dass die Schriftformregelung als zwingendes Recht nicht abdingbar ist. Kurz: die Schriftformheilungsklauseln sind in der Regel unwirksam und nutzen nichts.
MedRecht empfiehlt daher Ärzten und Zahnärzten, sich aufgrund der besonderen Bedeutung der gesetzlichen Schriftform bei langfristigen Praxismietverträgen, beim Abschluss von Mietverträgen und auch bei Nachträgen oder späteren Änderungen beraten zu lassen oder zumindest selbst darauf zu achten, dass die gesetzliche Schriftform eingehalten wird und während des Mietverhältnisses gewahrt bleibt. Dies gilt selbst bei kleineren Änderungswünschen.
Oft werden insbesondere dann, wenn Nachträge zum Mietvertrag geprüft werden, Schriftformfehler erkannt und diese mit dem beabsichtigten Nachtrag zur Wiederherstellung der langfristigen Planungssicherheit, gleich „mit geheilt“. Die zunehmend strengere BGH- Rechtsprechung zwingt zur Vorsicht. Wenn ein (Zahn)Arzt Räume gemietet hat und in diesen mit einem weiteren Zahnarzt/ Arzt zusammenarbeiten möchte, beachtet MedRecht daher bei der gesellschaftsrechtlichen Bearbeitung der Kooperation auch den Mietvertrag.
Es sind Falle bekannt, in denen der Zahnarzt/Arzt im guten Glauben an die Langfristigkeit seines Praxismietvertrages enorme Investitionen in den Umbau tätigte, nicht wissend, dass sein Praxismietvertrag an einem Schriftformfehler leidet. Dies führte dazu, dass der Vermieter den Zahnarzt/ Arzt in der Folgezeit an die Leine nahm und mit regelmässigen Kündigungsandrohungen seine zum Teil unberechtigten Interessen zu realisieren vermochte.
Diese einseitige wirtschaftliche und existenzbedrohende Abhängigkeit gilt es zu vermeiden. Was ist zu beachten? Das Schriftformerfordernis des Mietvertrages (§ 550 BGB) ist nur gewahrt, wenn dieselbe Urkunde von den Vertragsparteien selbst oder durch einen Vertreter mit Vollmacht unterzeichnet wurde.
Häufig wird festgestellt, dass nicht alle Beteiligten den Vertrag unterzeichnet haben. Anlagen zum Mietvertrag müssen im Mietvertrag bezeichnet sein und dem Hauptmietvertrag zugeordnet werden. Manchmal werden fälschlich Anlagen erst später erstellt oder es fehlt die korrekte Inbezugnahme im Hauptmietvertrag auf die dazugehörigen Anlagen. Ein bloßer Hinweis im Praxismietvertrag auf eine nicht näher bezeichnete Anlage genügt zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses nicht.
Selbst die Unterzeichnung der Anlage, die keinen Bezug auf den Hauptmietvertrag hat, reicht nicht aus. Immer häufiger stelle ich fest, dass dies insbesondere bei bereits lang andauernden Mietverhältnissen der Fall ist, die naturgemäß im Laufe der Zeit ergänzende oder abweichende Regelungen erfahren. Im Ergebnis ist darauf zu achten, dass alle wesentlichen Vertragsbestandteile hinreichend bestimmt niedergelegt und alle künftigen Abreden schriftlich fixiert und mit dem Hauptmietvertrag fest verbunden werden.
Wenn all dies beachtet wird, ist der Bestand des Praxismietvertrages langfristig gesichert und es muss nur noch auf die Einhaltung der für einen Praxismietvertrag ansonsten wichtigen, praxisspezifischen Mietrechtsregelungen geachtet werden. Wenn sie fehlen, kann unter Umstanden auch ein langfristig geschlossener Mietvertrag für den Mieter zum Problem werden. Das sind dann die Falle, in denen Mieter ausnahmsweise prüfen lassen, ob nicht ein Praxismietvertrag wegen fehlender Schriftform vorzeitig beendet werden kann; eine Prüfung, die bei korrekten praxisspeziellen Regelungen im Praxismietvertrag nicht nötig gewesen wäre und nun nur noch der Schadensminimierung dient, z. B. weil langfristige Kooperationsmöglichkeiten des Zahnarztes erwünscht waren, Praxisgemeinschaften beabsichtigt wurden oder Praxen ganz oder teilweise verkauft werden sollen, also gesellschaftsrechtlich notwendige Regelungen fehlen und der Vermieter all dem jetzt nicht zustimmt oder zustimmen muss.
Eine Rechtsnachfolge für den Fall der Praxisveräußerung oder eine Änderung der Gesellschafterform und selbst die Aufnahme weiterer Zahnärzte/ Ärzte sehen die Gesetze im Mietrecht nicht vor. Voraussetzung hierfür sind also formwirksame Regelungen im Mietvertrag oder Nachtrag. Dem Vorhaben des Zahnarztes muss der Vermieter aber erst mal zustimmen. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht allerdings nicht.
Sind Sie sicher, dass sich Ihr Name im Hauptmietvertrag mit dem Namen in Ihrem Gesellschaftsvertrag deckt?
Nicht selten wird auch der Mietgegenstand nicht hinreichend konkret bezeichnet. Die anwaltliche Beratungserfahrung zeigt, dass viele Praxismietverträge gerade nicht die zahlreichen Besonderheiten des Praxisbetriebes berücksichtigen. Das gilt gleichermaßen für die Besonderheiten der Vertragsarztzulassung, einer Gemeinschaftspraxis, die Überleitung des Vertrages auf den Praxisnachfolger, Verlängerungsoptionen, Konkurrenzschutz, selbst Tod und vieles mehr.
Achten Sie auf all das. Denn, so „banal“ das klingt: Ohne Räume kann man nicht praktizieren. Sie sind Voraussetzung für die vertragszahnärztliche / vertragsärztliche Zulassung und in der Regel die Basis der zahnärztlichen / ärztlichen Existenz und nicht selten auch der Familie.