Seit der Nacht auf den 23.03.2021 ist er in der Welt. Der neue Corona-Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs. Er wirft Fragen auf: Was ist bei einem Fristablauf am 01.04.2021? Ich bin Arzt/ Zahnarzt und daher aktuell in besonderem Maße „systemrelevant“, muss/darf ich daher meine Praxis am 01.04.2021 öffnen? Wer den aktuellen Corona-Beschluss im Originalwortlaut lesen möchte, findet ihn hier.
Rechtlich führt ein Satz zu unterschiedlichen Problemen. Jener Satz im Beschluss lautet:
„Deshalb sollen der 1. April (Gründonnerstag) und der 3. April (Samstag) 2021 zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April verbunden werden („Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“).“
Der Begriff des „Ruhetages“ ist in keinem deutschen Gesetz definiert. Deshalb ist ein „Ruhetag“ bereits grundsätzlich nicht mit Feiertagen gleichzusetzen. Das für nahezu alle Fristen einschlägige BGB kennt den Begriff des „Ruhetages“ ebenfalls nicht, sondern nur Werktage sowie Sonn- und Feiertage bzw. Sonnabende, also Samstage (vgl. § 193 BGB).
Die jeweiligen mit Wirkung zum 29.03.2021 anzupassenden „Landes-Corona-Verordnungen“ sind nun abzuwarten. Erst nach deren Erlass wird feststehen, ob Ärzte und Zahnärzte ihre für den 01.04.2021 terminierten Patienten absagen müssen oder nicht. Dass das zeitlich knapp sein wird, ändert daran nichts.
Aktuell stehen nicht nur Zahnärzte und Ärzte im Regen. Für sie stellen sich derzeit unterschiedliche Fragen, zum Beispiel:
- Wie ist damit umzugehen, wenn ein Fristablauf auf den „Ruhetag“ des 01.04.2021 fällt? Wenngleich nicht rechtsverbindlich, so ist davon auszugehen, dass die Frist gemäß § 193 BGB am nächstfolgenden Werktag abläuft.
- Müssen die Zahnärzte und Ärzte ihre Praxen am Gründonnerstag öffnen? Diese Frage ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu beantworten. Ärzte und Zahnärzte haben ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Hiervon regulär ausgenommen sind Feiertage. Ob nun ein Ruhetag in analoger Anwendung einem Feiertag entsprechen soll, ist zu vermuten, aber nicht rechtssicher beantwortbar. MedRecht hat in unterschiedlichen Landesministerien zu den entsprechenden Regelungsabsicht angefragt. Keine der angefragten Stellen konnte eine weiterführende Auskunft erteilen. Die Einschätzung beispielsweise der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), ihre Mitglieder sollten selbst entscheiden, ist bei noch nicht erlassener Verordnung vorschnell. Außerdem: Soll ein Ruhetag einem Feiertrag entsprechen, gilt ein Beschäftigungsverbot für die ArbeitnehmerInnen (§ 9 ArbZG). Und dann passt die Mitteilung der KVN nicht.
- Was ist, wenn die Zahnärzte und/ oder Ärzte ihre Praxen am Gründonnerstag öffnen, es aber nicht durften? Diese Beantwortung wäre nun total hypothetisch,weil Frage 2 schon nicht beantwortet ist. Aber es stellt sich natürlich die weitergehende Frage, ob dann die behandelten Patienten abgerechnet werden können. Oder: was ist, wenn eine Angestellte oder ein Angestellter auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall erleidet, obgleich gar nicht gearbeitet werden durfte?
Es ist zu vermuten, dass die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Regelungen treffen (Ob das gut ist, ist eine andere Frage.)
Wenn dabei jedenfalls die „Ruhetags-Regelung“ den Regeln für Feiertage entsprechen soll, würde dies gemäß § 9 ArbZG betreffend die ArbeitnehmerInnen zu einem Beschäftigungsverbot von 0 bis 24 Uhr mit der Möglichkeit zu Vor- oder Zurückverlegung um bis zu sechs Stunden führen. Außerdem könnte damit auch die Pflicht zur Entgeltzahlung verbunden sein.
Sobald zu all dem Genaueres mitteilbar ist, hält MedRecht Sie nachstehend auf dem Laufenden.
Aktualisierung vom 23.03.2021, 11:30 Uhr: In der Süddeutschen heißt es zu dieser Problematik:
„Für die genaue Ausgestaltung und Durchführung der beschlossenen Maßnahmen sind die Länder zuständig. Über Details zu den zusätzlichen Ruhetagen sollen laut dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) im Tagesverlauf die Chefs der Staatskanzleien beraten. Auch eine weitere Beratung der Ministerpräsidenten am Dienstagabend sei möglich.“
Zu letzterem war bis zum 24.03.2021, 02:30 Uhr nichts Neues zu erfahren.
Aktualisierung vom 23.03.2021, 15:48 Uhr: In Baden-Württemberg heißt es von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (vgl. hier):
„Wir können das nicht über das Feiertagsgesetz machen, das betrifft 16 Länder, deshalb geht man jetzt über das Infektionsschutzgesetz.“ Dies müsse der Bund regeln. Gründonnerstag solle seiner Vorstellung nach ein kompletter Ruhetag werden. Das müsse auch für Unternehmen und Betriebe gelten.„
MedRecht-Anmerkung: Gemeint ist zunächst einmal, dass es nicht DAS Feiertagsgesetz gibt, sondern länderspezifische, also 16 unterschiedliche Feiertagsgesetze. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthält jedoch – wie zu Vielem während der Pandemie – keine konkreten Regelungen. Die gemäß IfSG anwendbaren Vorschriften ermächtigen die Bundesländer zum Erlass „notwendiger Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit […] drohenden Gefahren“ durch Rechtsverordnung.
Aktualisierung vom 23.03.2021, 17:33 Uhr: Die bayerische Staatsregierung schreibt:
„Betriebe, Ladengeschäfte, Unternehmen und Behörden bleiben am 1. April 2021 (Gründonnerstag) und am 3. April 2021 (Karsamstag) wie an den Osterfeiertagen geschlossen; am Samstag, den 3. April 2021, wird ausschließlich der Lebensmittelhandel geöffnet.“
Der Bund erarbeite noch Rechtsgrundlagen, um beide Tage wie Sonn- und Feiertage zu behandeln, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag, 23.03.2021.
Aktualisierung vom 23.03.2021, 22:40 Uhr: Die ARD zitiert den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), so:
Niedersachsens Landeschef Weil räumte ein, dass die rechtlichen Details gerade im Hinblick auf den Gründonnerstag noch offen seien. Er gehe von einer Rechtspflicht aus, so dass „wir insgesamt keine Menschen an diesem Tag im Arbeitsleben haben“. Ausgenommen sind den Plänen zufolge Mitarbeiter in besonders systemrelevanten Branchen.