MedRecht – BaWü nimmt § 6a Corona-VO zurück

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat § 6a Corona-VO mit Wirkung zum 04.05.2020 aufgehoben. Die entsprechende Corona-VO finden Sie hier (Strg + klicken, um Link zu folgen). Landeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Vereinigung in Baden-Württemberg hatten zuvor bereits ihre Mitglieder wie folgt informiert (Markierung durch MedRecht):

Schreiben von LZK und KZV BW vom 29.04.2020

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatte zunächst eingelenkt, ohne das eigentliche Rechtsproblem zu lösen. Sie teilte für Zahnärzte die unten teilweise abgedruckten Auslegungshinweise zu § 6a Abs. 1 der Corona-Verordnung (Cornoa-VO) mit. Die Corona-VO galt ab 10.04.2020 und ist hier zu finden.

Nach dem Wortlaut der Corona-VO vom 10.04.2020 durften Zahnärzte, Oralchirurgen und Kieferorthopäden in Baden-Württemberg seit dem 11.04.2020 nur Patienten mit aktuen Erkrankungen oder Schmerzzuständen (Notfälle) behandeln. Andere Behandlungen waren „auf einen Zeitpunkt nach dem Außerkrafttreten dieser Verordung zu verschieben„. Covid-19-Infizierte sollten in Notfällen in Uni-Zahnkliniken, Klinken mit MKG-Abteilung(en) oder Zahnkliniken behandelt werden.

In dieser Weise wäre die Regelung einem befristeten Berufsausübungsverbot für Zahnärzte mindestens nahe und de facto gleich gekommen.

LZK und die KZV BW hatten darauf in einem Brief an den Gesundheitsminister die vollständige Rücknahme von § 6a Abs. 1 Corona-Verordnung gefordert.

MedRecht hatte am Morgen des 11.04.2020 beim Gesundheistministerium angefragt, ob damit gerechnet werden dürfe, dass § 6a bis zum Ablauf des kommenden Montages zurückgenommen werde oder eine klarstellende Regelung aufgenommen werde.

Stattdessen hat das Gesundheitsministerium mit Schreiben vom 12.04.2020 an KZV und LZK ministerielle Auslegungshinweise zu § 6a Abs. 1 Corona-VO vorgelegt. Darin heißt es zur Behandlung akuter Erkrankungen unter Verweis auf das Zahnheilkundegesetz:

„Medizinisch notwendige zahnärztliche Behandlungen […] können durchgeführt werden. Liegt eine zahnmedizinische Behandlungsbedürftigkeit vor, können unter Einhaltung der geltenden Hygienevorgaben grundsätzlich alle Maßnahmen zu Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ausgeübt werden (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 ZHG).

Damit „ruderte die Landesregierung deutlich zurück“, allerding nur scheinbar. Denn ohnehin, also auch bisher, durften Zahnärzte bei gesetzlich versicherten Patienten nur medizinisch notwendige Behandlungen durchführen (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V). Bei Privatpatienten und Selbstzahlern gilt das Gleiche (§ 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ).

Außerdem änderten die Auslegungshinweise nichts an der Verfassungswidrigkeit von § 6a Abs. 1 Corona-VO. Die Hinweise hatten keine rechtliche Außenwirkung und damit keine rechtliche Bindungswirkung. Auch ändern sie nichts am Verordnungswortlaut. Sie konnten den Regelungsinhalt nicht abschwächen. § 6a Abs. 1 Corona-VO blieb verfassungswidrig. Anders als es Gesundheitsminister Lucha hier ausführte, erhielten die Zahnärzte gerade keine rechtliche Sicherheit.

Außerdem bestand ein Problem weiterhin: was, wenn der Zahnarzt gegenüber der Polizei / den Ermittlungsbehörden beweisen muss, dass er einen Patienten behandeln durfte. Sollte der Zahnarzt dann seine zahnärztliche Schweigepflicht aus § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verletzten müssen?

MedRecht-Resümee: die massiven Proteste waren rfolgreich. Zahnärzte in Baden-Württemberg konnten nach Ostern weitgehend normal weiterarbeiten. Und nun ist § 6a Abs. 1 Corona-VO wieder gestrichen.