Etwas befremdlich, was die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) bereits seit Jahren zur sogenannten vertikalen Delegation schreibt.[1] Die BZÄK stellt das Postulat auf, dem Patienten müsse bewusst sein, dass die ihm gegenüber erbrachte Leistung eine delegierte Leistung sei. Er müsse also hierüber aufgeklärt werden.
Die rechtliche Einschätzung geht ganz überwiegend in eine andere Richtung.
Die Antwort darauf, ob die vorerwähnte Aufklärung und die damit verbundene Einwilligung von Patienten in die Behandlung inhaltlich auf die Delegation zahnärztlicher Aufgaben bezogen sein muss, ist nämlich unter Beachtung der Verkehrssitte und des zu erforschenden wirklichen Patientenwillens vorzunehmen.
„Ein expliziter Hinweis im Rahmen der Aufklärung, dass an der Entscheidung über die vorzunehmende Maßnahme kein Zahnarzt beteiligt wird und dass es sich bei dem Behandler um Medizinalpersonal und nicht um einen Zahnarzt handelt, ist nur erforderlich, wenn der Patient verständigerweise damit rechnet oder rechnen darf, dass an der betreffenden Maßnahme üblicherweise ein Zahnarzt zumindest in Form der Anordnung der Maßnahme beteiligt ist oder mit der Ausführung durch Medizinalpersonal ein erhöhtes Risiko besteht.“[2]
Eine Aufklärung über den Ausbildungsstand des die Hilfsleistungen erbringenden Behandlers ist für die Wirksamkeit einer Einwilligung nicht zu verlangen.[3]
Grundsätzlich muss ein Patient nicht in die Delegation einwilligen. Ist allerdings die Delegation unzulässig, so stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung dar. Für die Frage, unter welchen Bedingungen die Delegation von Leistungen zulässig ist, gilt ein abgestuftes[4] und fein ausbalanciertes System.[5]
Demgegenüber bezieht sich die BZÄK auf das Zahnheilkundegesetz (ZHG) und die Delegationsregelung in § 1 Abs. 5 ZHG. Dort ist geregelt, welche Tätigkeiten Zahnärzte an nichtzahnärztliches aber entsprechend qualifiziertes Personal delegieren dürfen. Das heißt, es werden durch ein Bundesgesetz Aspekte der zahnärztlichen Berufsausübung geregelt.
Fragen der Berufsausübung liegen allerdings nicht in der gesetzgeberischen Kompetenz des Bundes sondern der Länder,[6] zumal die Delegationsaspekte nicht berufsbildprägend sind und auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in die Bundeskompetenz fallen (Art. 74 Nr. 19 GG).
Nur wenn die spezielle Benennung eines Delegationsumfanges untrennbar wäre von der Erstattungsfähigkeit delegierter Leistungen, könnte als besonders enger Zusammenhang und als Unterpunkt einer Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs noch eine sogenannte Annexkompetenz näher zu untersuchen sein.[7] Eine solche besteht wegen des trennbaren und eindeutigen Charakters der Berufsausübung bei delegierbaren Leistungen jedoch nicht. Dem Bund ist es hiernach jedenfalls in kompetenzrechtlicher Hinsicht verwehrt, delegierbare oder erweitert delegierbare Tätigkeiten konkret zu benennen.
Somit stellt sich schon die Frage, ob § 1 Abs. 6 ZHG überhaupt verfassungskonform ist und ob Fragen der Delegation zahnärztlicher Leistungen besser nach denselben Grundsätzen zu behandeln sind wie bei den Ärzten auch.[8]
[1] Zuletzt abgerufen am 05.08.2021 unter: https://www.bzaek.de/service/positionen-statements/einzelansicht/delegationsrahmen-der-bundeszahnaerztekammer-fuer-zahnmedizinische-fachangestellte.html; Zur Konkretisierung der weiteren Quellen in den nachstehenden Fußnoten vgl. Gröschl, Substitution und erweiterte Delegation ärztlicher Leistungen, 2015, S. 531 ff.
[2] Pitz, Was darf das Medizinalpersonal, S. 126; a.A. Roßbruch, PflR 2003, 139 (142); Heinze/Jung, MedR 1985, 62 (66).
[3] Bereits BGH Urt.v. 27.09.1983 – VI ZR 230/81 – = NJW 1984, 655 (655) zuvor noch offengelassen von BGH Urt.v. 27.11.1973 – VI ZR 167/72 – = VersR 1974, 486 – 488 bei intravenöser Injektion körperfremder Stoffe durch eine MTA; Steffen, MedR 1996, 265 (265); Frahm, VersR 2009, 1576 (1577) durch Vergleich mit den Grundsätzen zu Anfängeroperation, im Anschluss fehleinschätzend betreffend Spickhoff/Seibl, MedR 2008, 463 (472).
[4] Überblick zu Fragen der Delegation bei Taupitz/Pitz/Niedziolka, Der Einsatz nichtärztlichen Heilpersonals bei der ambulanten Versorgung chronisch kranker Patienten; Pitz, Was darf das Medizinpersonal, 4. Kap; Simon, Delegation ärztlicher Leistungen, Diss. 1999, C.
[5] Hierzu im Detail: Gröschl, Substitution und erweiterte Delegation ärztlicher Leistungen, 2015, S. 342 ff.
[6] BVerfG, „Facharztbeschl“.v. 09.05.1972 – 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64 – = BVerfGE 33, 125–171 = NJW 1972, 1504-1509; Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74, Rn. 214 m.w.N., 217.
[7] Stein/Frank, Staatsrecht, § 14, II, 4.
[8] Hierzu im Detail: Gröschl, Substitution und erweiterte Delegation ärztlicher Leistungen, 2015, S. 342 ff.