Nach dem Bundestag hat heute auch der Bundesrat den von CDU/CSU und SPD vorgelegten Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (Strg + klicken, um Link zu folgen) angenommen. Er sieht befristete Änderungen und Ergänzungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vor.
Im Vertragsrecht soll Schuldnern, die wegen Covid-19 ihre Vertragspflichten nicht erfüllen können, ermöglicht werden, ihre Leistungen einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass dies nachteilige Folgen hat. Sonderregelungen gibt es zudem für Miet- und Pachtverhältnisse sowie für Verbraucherdarlehensverträge.
Leistungsverweigerungsrecht – Moratorium
Verbraucher und Kleinstunternehmen sollen – zunächst befristet bis zum 30.06.2020 – ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht erhalten. Voraussetzungen hierfür sind folgende :
- Es handelt sich um einen betroffenen Verbraucher oder ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003;
- es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (bei Verbrauchern: das als Verbrauchervertrag zu qualifizieren ist), das vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde und der Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge dient, jedoch nicht um einen Miet-, Pacht-, Darlehens- oder Arbeitsvertrag;
- infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,
- kann ein Verbraucher Leistungen nicht erbringen, ohne seinen angemessenen Lebensunterhalt oder den angemessenen Lebensunterhalt unterhaltsberechtigter Angehöriger zu gefährden oder
- kann das Kleinstunternehmen die Leistung nicht erbringen oder ist ihm die Erbringung der Leistung jedenfalls nicht ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs möglich;
- die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist dem Gläubiger zumutbar. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn eine Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs bzw. des angemessenen Lebensunterhalts des Gläubigers besteht. Wenn das Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner jedoch ein Recht zur Kündigung zu.
Vertragliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Schuldners von den ersten drei der oben genannten Voraussetzungen abweichen, sind unwirksam.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrats die Dauer des Leistungsverweigerungsrechts durch Verordnung bis zum 30.09.2020 (aktuell: 30.06.2020) zu verlängern.
Schutz von Mietern – Mietverträge
Das Recht der Vermieter zur Kündigung der Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume wird ausgeschlossen. Voraussetzunge sind:
- der Mieter leistet im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit keine Miete,
- der Mieter macht glaubhaft, dass die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
Diese Sonderregelungen sind bis zum 30.06.2022 anzuwenden und gelten entsprechend auch für Pachtverhältnisse. Dies ändert nichts daran, dass Vermieter aus anderen Gründen kündigen dürfen.
Bislang gilt ( § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ): Mietverhältnisse können nach aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Diese Regelung durch Sonderregelung befristet zu ändern, war nötig, weil zu erwarten ist, dass sich die Einnahmeverluste zahlreicher Mieter auf durchschnittlich mehr als zwei Monatsmieten belaufen werden.
Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge und Rückgriffsansprüche
Bei Darlehensverträgen sollen Zins- und Tilgungsleistungen gesetzlich stundbar sein. Das soll für einen Zeitraum von zunächst drei Monaten ab Eintritt der Fälligkeit gelten. Diese Regelung ist nur für folgende Konstellationen vorgesehen:
- Der Verbraucherdarlehensvertrag wurde vor dem 15.03.2020 abgeschlossen;
- der Verbraucher hat infolge der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle. Die Einnahmeausfälle führen dazu, dass dem Verbraucher die Zahlung der geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen, die im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 fällig werden, nicht zumutbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn hierdurch der angemessene Lebensunterhalt von ihm selbst oder seinen Angehörigen gefährdet würde; und
- dem Darlehensgeber ist die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar.
Diese Regelungen gelten entsprechend für den Ausgleich und Rückgriff unter Gesamtschuldnern.
Leistet der Verbraucher die Zahlungen vertragsgemäß weiter, gilt die Stundung als nicht erfolgt. Die Vertragsparteien dürfen im Hinblick auf die Stundung abweichende Vereinbarungen, z. B. Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen treffen.
Die Parteien können eine anderweitige einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30.06.2020 treffen. Anderenfalls verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate. Um diesen Zeitraum ist dann die Fälligkeit der vertraglichen Leistungen hinausgeschoben.
Für den Darlehensgeber ist zudem eine Kündigung des Darlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit solange ausgeschlossen bis die Stundung abgelaufen ist.
Die Bundesregierung erhält die Ermächtigung, ohne Zustimmung des Bundesrats durch Verordnung auch Kleinstunternehmen und mittlere Unternehmen in den Schutzbereich dieser Regelung einzubeziehen. Eine solche Rechtsverordnung kann des Bundestag dann aber durch Beschluss ändern oder ablehnen. Außerdem darf die Bundesregierung den Zeitraum der erfassten Zins- und Tilgungsleistungen auf die Zeit bis zum 30.09.2020 (aktuell: 30.06.2020) verlängern und die Vertragslaufzeit um bis zu zwölf Monate (aktuell: drei Monate).
Versammlung in Unternehmen
Betroffene Unternehmen verschiedener Rechtsformen sollen auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen können und handlungsfähig zu bleiben.
Hierfür will der Gesetzgeber vorübergehend substantielle Erleichterungen zur Durchführung von Hauptversammlungen, Gesellschafterversammlungen, General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaften sowie von Mitgliederversammlungen von Vereinen schaffen.
MedRecht – Einschätzung
Es handelt sich um gravierden Einschnitte in rechtliche Grundlagen vor allem des Zivilrechts. Diese sind in Ansehung der Verordnungsermächtigung flexibel ausgestaltet. Die Gründe für diese Einschnitte liegen mit den Covid-19-Folgen auf der Hand. Die Änderungen gelten befristet, so dass dauerhafte Beeinträchtigungen bewährten Rechts nicht zu erwarten sind. Die neuen befristeten Regelungen sind während der nächsten Monate dringend zu beachten.
MedRecht beobachtet das Gesetzgebungsverfahren. Diese MedRecht-News werden entsprechend angepasst.