Impfen – ansonsten kein Gehalt. Das hat aktuell ein Zahnarzt in Bayern (Pfaffenhofen) von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt, so Medienberichte. Außerdem habe er für seine Angestellten Impftermine vereinbart. Wer nicht geimpft sei, dürfe keinen direkten Kontakt zu Patienten mehr haben, so der Zahnarzt.
MedRecht-Tipp:
Grundsätzlich dürfte das Handeln des Zahnarztes aus Bayern rechtlich sehr kritisch sein und das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) seiner Angestellten verletzen. MedRecht rät von einem solchen Verhalten ab (Stand 12.01.2021).
Eine allgemeine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen – zum Beispiel (zahn-)medizinisches Personal – ist denkbar. Doch derzeit gibt es sie schlicht nicht.
ACHTUNG: vergleiche ganz unten „Impfpflicht durch die Hintertür“.
MedRecht-Hintergrund:
Keine Impfpflicht in der Corona-Impfverordung
Die vom Bundesgesundheitsministerium (fortan: BMG) erlassene „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2“ schreibt keine Impfpflicht vor. Arbeitgeber können sich also derzeit nicht auf eine gesetzliche Verpflichtung berufen. Sie können Arbeitnehmer nicht zu einer Impfung zwingen. Die Impfung ist derzeit freiwillig.
Infektionsschutzgesetz und generelle Impfpflicht
Die Anordnung einer gesetzlichen Impfpflicht für jedermann wäre mit Blick auf das Infektionsschutzgesetz rechtlich grundsätzlich zulässig.
Nach dem Infektionsschutzgesetz kann das BMG mit Zustimmung des Bundesrats anordnen, „dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist“, es sei denn eine Schutzimpfung wäre medizinisch kontraindiziert.
Beispiel für eine solche Impfpflicht: Masernschutzgesetz für Schüler und in Betreuungseinrichtungen und Schulen tätige Personen im Frühjahr 2020
Nach dem derzeitigen Stand der politischen Diskussion zeichnet sich jedoch die Anordnung einer solchen allgemeinen Impfpflicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht ab.
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Die Anordnung eines Arbeitgebers zum Impfen ist von dessen Weisungsrecht nicht gedeckt. Ein Arbeitgeber darf Vorgaben für Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung machen, soweit gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstehen. Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter daher ohne Bestehen einer gesetzlichen Impfpflicht nicht zu einer Covid-19 Impfung verpflichten. Auch eine vertragliche Verpflichtung dürfte wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unzulässig und somit unwirksam sein.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Im Rahmen seiner Schutz- und Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, die nötigen Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter zu ergreifen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet (§ 618 Abs. 1 BGB, § 3 Arbeitsschutzgesetz /ArbSchG).
In besonderen Situationen darf der Arbeitgeber beispielsweise Fiebermessungen vor dem Betreten des Betriebsgeländes anordnen oder Urlaubsrückkehrer nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet befragen.
(Die weiteren) Arbeitnehmer haben nämlich einen Anspruch auf Infektionsprävention.
Auch die regelmäßige Testung der Mitarbeiter kann gerechtfertigt sein. Eine konkrete Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus könnte durchaus ein Argument für einen verpflichtenden Test darstellen. Der Arbeitgeber hat jedoch bei derartigen Untersuchungen immer den sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Ein Abstrich ist eher vertretbar und zulässig. Eine Blutprobe dürfte hingegen regelmäßig unzulässig sein.
Die einseitige Anordnung einer Impfpflicht greift jedoch zu tief in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ein und ist daher als unverhältnismäßig anzusehen. Daran vermag auch nicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers zu ändern. Sofern der Arbeitnehmer die freiwillige Impfung verweigert, kann diese Weigerung zu keinem Zeitpunkt Grundlage für arbeitsrechtliche Konsequenzen sein.
(Zahn)Medizinische Angestellte und Pflege – Impfpflichten durch die Hintertür?
Bei (zahn-)medizinschen Angestellten und Pflegepersonal bestehen jedoch Besonderheiten. Zunächst gilt auch hier der Grundsatz, dass die einseitige Anordnung der Impfungspflicht durch den Arbeitgeber mangels gesetzlicher Verpflichtung nicht zulässig ist. Ob aber eine Verpflichtung aus arbeitsvertraglicher Nebenpflicht abgeleitet werden kann, ist bisher gerichtlich nicht geklärt worden, dies dürfte jedoch nicht verneinen sein.
Wenn der Einsatz nicht geimpfter Arbeitnehmer eine hohe Gesundheitsgefahr für die Patienten (die regelmäßig der Risikogruppe angehören) darstellt und es keine anderen gleich effektiven Möglichkeiten gibt, um die Patienten zu schützen, dann könnte die Impfung eine unmittelbare Voraussetzung für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sein. Verweigert ein Arbeitnehmer die Impfung ohne einen wichtigten Grund, so wird ihn der Arbeitgeber womöglich nicht mehr im Betrieb weiterbeschäftigen können. Dann läge juristisch ein Wegfall der persönlichen Eignung vor.
Im Einzelfall kann danach eine personenbedingte ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers in Betracht kommen. Eine solche Kündigung kommt jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie ist das letzte geeignete Mittel (ultima ratio).
In solchen Fällen ist vom Arbeitgeber regelmäßig zunächst zu prüfen, ob für den betroffenen Arbeitnehmer eine andere adäquate Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb vorhanden ist. Auch hier ist eine Abwägung beidseitiger Interessen vorzunehmen.
Ob die Voraussetzungen einer solchen personenbedingten Kündigung vorliegen, bedarf einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall. Es ist zu erwarten, dass in diesem Jahr viele Arbeitsgerichte mit solchen Rechtsfragen konfrontiert sein werden.