Immer mehr kriegsvertriebene Flüchtlinge kommen in Deutschland an. Sie stellen auch die (Zahn)Arztpraxen und die behandelnden (Zahn)ärztinnen und (Zahn)ärzte vor Herausforderungen. Das beginnt mit der sprachlichen Verständigung. Folgeproblem ist die ordnungsgemäße Aufklärung und Einwilligung der Patientinnen und Patienten. Oft wird sich auch die Frage stellen, ob und wenn wie die (Zahn)Ärzte ihre Leistungen abrechnen können.
Die Ukraine ist kein EU-Staat. Deshalb muss die (zahn-)medizinische Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine (ggf. vorübergehend) nach Grundsätzen des Asylrechts erfolgen – und dabei unbürokratisch und schnell sein.
Behandlungsscheine
Hierfür stellen die zuständigen Ämter für Flüchtlingsangelegenheiten und Kommunen den Flüchtlingen vorläufige Behandlungsscheine aus (längstents 92 Tage gültig). Mit diesen können sie (Zahn-)Ärzte aufsuchen und sich behandeln lassen.
Allerdings können auch Krankenkassen diese Behandlungsscheine ausstellen. Dies ist nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) aktuell möglich in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen.
(Zahn)Ärzte reichen die Behandlungsscheine zusammen mit der Abrechnung bei ihrer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (KV) ein. Arzneimittel verordnen die Ärzte auf dem normalen Rezept (Muster 16). Auch für anderen Leistungen sind die üblichen Formulare zu verwenden.
Notfallbehandlung
In Notfällen kann die Behandlung ohne Behandlungsschein erfolgen. Dann sollten die (Zahn-)Ärzte Folgendes dringend festhalten:
- persönliche Daten (bestenfalls Kopie des Ausweises)
- Kopie der Meldebescheinigung (falls vorhanden)
- Datum der Behandlung
- die Behandlung selbst (Anamnese, Befund, Diagnose und Therapie)
Dabei geht es – wie auch bei der Flüchtlingskrise 2015 – um die (zahn)medizinische Versorgung von Patienten mit akut notwendigen und unaufschiebbaren Behandlungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 1a Abs. 1 AsylbLG analog). Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen halten hierfür meist Positivlisten bereit, hier bpsw. die KZVB.
Sobald die Betroffenen als Kriegsflüchtlinge nach § 24 Aufenthaltsgesetz registriert sind, haben sie Zugang zur (zahn-)medizinischen Regelversorgung. Die Registrierung dauert einige Tage, ist jedoch vom Flüchtlingsumfang abhängig.
Nach 15 Monaten – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Einreise – können die Flüchtlinge eine elektronische Gesundheitskarte (eGk) erhalten. Sie können dann direkt zum (Zahn)Arzt gehen. Hinsichtlich der Abrechnung ist dann so vorzugehen, wie bei GKV-Versicherten auch.
Dolmetscherkosten und hypothetische Einwilligung
Ist ein Patient der deutschen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig, ist eine professionelle Übersetzung unerlässlich. Andererseits ist das angestrebte Behandlungsziel nicht „gewährleistet“.
Übersetzungen sind aber keine Gesundheitsleistungen. Die Krankenkassen können sie nicht erstatten. Solche Kosten tragen die Ämter für Flüchtlingsangelegenheiten oder das zuständige Sozialamt. Voraussetzung ist, dass eine dolmetschende Person zwingend erforderlich ist und keine andere adäquate Möglichkeit zur Verständigung besteht.
Doch auch im Fall des Dolmetscher-Einsatzes muss der Zahnarzt sich überzeugen, ob nach seinem Eindruck der Patient die Aufklärung verstanden hat. Sollten alle getroffenen Maßnahmen keinen Erfolg bringen, kann der (Zahn)Arzt die Behandlung ablehnen.
Doch Achtung: Wird die Behandlung abgelehnt, sollten die Behandelnden jeden Schritt sauber und detailliert dokumentieren. Denn hier drohen hohe (straf)rechtliche Risiken. Lag nämlich ein Notfall vor, so dürfte die Ablehnung eine unterlassenen Hilfeleistung darstellen. Eine Ablehnung der Behandlung aufgrund von Verständnisproblemen ist immer dann kritisch, wenn die (zahn)ärztliche Versorgung dringend notwendig ist.
In derartigen Fällen kann der sogenannte Grundsatz der „hypothetischen Einwilligung“ das Problem lösen. Danach wird vermutet, dass der Patient in die Behandlung nach zahnmedizinischem Standard eingewilligt hätte, wenn die Verständigung möglich gewesen wäre (§ 630h Abs. 2 BGB). Generell – und hier erst recht – ist eine saubere und detaillierte Dokumentation unerlässlich. Denn es ist der (Zahn)Arzt, der im Falle eines Prozesses das Vorliegen und die Gründe für eine „hypothetischen Einwilligung“ zu beweisen hat.
Schlussgedanke
Die Menschen aus der Ukraine sind aus purer Angst geflohen. Viele sind traumatisiert. Möglicherweise also reagieren sie auf eine Behandlung nicht so, wie die (Zahn)Ärzte es von ihren Patienten gewohnt sind. Massive Verständigungsprobleme tun ein Übriges. Geduld und Einfühlungsvermögen sind und bleiben gefragt.