Viele Ärzte haben MedRecht zum Thema Corona-Virus kontaktiert. Hier ein Ausschnitt häufiger Fragen und Antworten:
Wie funktionieren Videosprechstunden?
Die Begrenzungsregelungen zu Videosprechstunden sind aufgehoben, zunächst bis zum 30.06.2020 (vgl. MedRecht). Es gelten diese Voraussetzungen:
- Die technischen Anforderungen ergeben sich aus der Anlage 31b (Strg + klicken, um Link zu folgen) zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä).
- Der Arzt oder Psychotherapeut wählt aus einer Online-Liste bei der KBV zertifizierten Videodienstanbieter (Telemedizin-Plattformen) mit Abrechnungsmöglichkeiten.
- Der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist anzuzeigen, dass ein zertifizierter Videodienstanbieter genutzt wird.
- Praxis und Patient benötigen jeweils einen Bildschirm mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine Internetverbindung.
- Der Patient muss einverstanden sein.
- Der Arzt/ Psychotherapeut muss die Videosprechstunde so durchführen, dass die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt (wie normale Sprechstunde).
Was muss ich bei einem begründeten Verdachts-, Krankheits- und Todesfall tun?
Ärzte sind verpflichtet, mit Covid-19 in Zusammenhang stehende „begründete Verdachts-, Krankheits- und Todesfälle“ dem örtlichen Gesundheitsamt zu melden. Und zwar innerhalb von 24 Stunden unter Angabe von Namen und Kontaktdaten der betroffenen Person. Grundlage ist die per Eilverordnung angepasste Meldeverordnung, hier (Strg + klicken, um Link zu folgen) finden.
Das RKI hat heute (24.03.2020) die Kriterien zur Verdachtsabklärung angepasst. Der Aufenthalt in einem Risikogebiet spielt keine Rolle mehr. Es soll nun ein Test erfolgen, wenn es klinische oder radiologische Hinweise auf eine virale Pneumonie gibt.
Ein meldepflichtiger begründeter Verdachtsfall liegt in diesen Fällen vor:
- bei Personen, die akute respiratorischen Symptome zeigen und in den vergangenen 14 Tagen Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall hatten
- bei Personen mit klinischen oder radiologischen Hinweisen auf eine virale Pneumonie, die im Zusammenhang mit einer Häufung von Pneumonien in einer Pflegeeinrichtung oder einem Krankenhaus auftritt, in der die Person sich aufhält oder aufgehalten hat.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) (Strg + klicken, um Link zu folgen) hat ihre Praxisinfo zum Vorgehen bei Verdacht auf eine SARS-COV-2-Infektion aktualisiert. Gleiches gilt für Zahnärzte bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat eine Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte herausgegeben. Tagesaktuelle Informationen sind auf den Internetseiten des RKI zu finden.
Wie ist Covid-19 bei Abrechnung und Kodierung zu berücksichtigen?
Für die ambuluante medizinische Versorgung von Coronavirus-Patienten erhalten Ärzte eine extrabudgetäre Vergütung. Dies gilt rückwirkend ab dem 01.02.2020 (KBV, 04.03.2020). Alles Wichtige hierzu finden Sie hier (Strg + klicken, um Link zu folgen).
Die ICD-Verschlüsselung für die Coronavirus-Krankheit lautet: U07.1 COVID-19 (Coronavirus-Krankheit-2019). Wichtig bei der Angabe des Schlüssels ist die differenzierte Verwendung des Zusatzkennzeichens für die Diagnosesicherheit. Hilfreich sind hierbei die Empfehlungen zum Kodieren der KBV vom 19.03.2020.
AU-Bescheinigung
Hierzu finden Sie Informationen in den MedRecht-News einmal hier und dort (Strg + klicken, um Link zu folgen). Weiteres nachstehend:
Kann ein Patient, der mittelbaren Kontakt zu einem Verdachtsfall hatte, eine AU-Bescheinigung verlangen, weil sein Arbeitgeber möchte, dass der Patient bis zum Vorliegen eines Testergebnisses nicht zur Arbeit kommt?
Nein. Ein Patient, der über eine weitere Person Kontakt zu einem Verdachtsfall hatte und selbst keine Symptome aufweist, erfüllt die Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit nicht. Wenn der Arbeitgeber in diesen Fällen kein Homeoffice ermöglicht (schwerlich möglich in einer Arztpraxis), den Patienten aber dennoch nach Hause schickt, befindet sich der Arbeitgeber im sogenannten Annahmeverzug und muss weiterhin das Gehalt zahlen.
Dies gilt im Übrigen auch für Patienten, die unmittelbaren Kontakt zu einem Verdachtsfall hatten und selbst keine Krankheitssymptome aufweisen.
Ist die telefonische AU noch möglich?
Nein. Die Ausnahmeregelung findet keine Anwendung mehr. Seit dem 20.04.2020 dürfen Ärzte NICHT mehr ledig aufgrund telefonischer Anamnese eine AU ausstellen. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA; vgl. hier). Grund sei, dass die Dynamik der Neuinfektionen deutlich verlangsamt wurde. Daher könne die Ausnahmeregelung auslaufen.
Die wegen der Covid-19-Pandemie getroffene Ausnahme sah vor, dass Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege für die Erstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) nicht extra in die Praxis kommen mussten. Hierauf hatten sich KBV und GKV-Spitzenverband verständigt (vgl. MedRecht). Die Ausnahmeregelung war von Anfang an zeitlich befristet.
In der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) des G-BA ist festgelegt, welche Regeln für die Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit von Versicherten gelten. Grundsätzlich darf die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung der Bescheinigung nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen .
AU-Bescheinigung per Fax möglich?
Nein. Der Patient benötigt die AU-Bescheinigung als Papierausdruck. Denn er muss sie bei seinem Arbeitgeber vorlegen.
Ich bzw. meine Praxis soll in Quarantäne (Tätigkeitsverbot), was nun?
Wenn das Gesundheitsamt Sie mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot (persönliche Quarantäne) konfrontiert:
- gehen Sie darauf nicht „freiwillig“ ein
- bestehen Sie auf einer schriftlichen Anordnung
Dies ist für Ihre Ansprüche auf Entschädigung für den Praxisausfall wichtig. Im Zweifelsfall kontaktieren Sie MedRecht.
Ich als Arzt / Zahnarzt – bzw. generell der Arbeitgeber – stelle einen Arbeitnehmer wegen Corona (Verdacht oder Infektion) von der Arbeit frei. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung?
Ja. Bei einer Freistellung durch den Arbeitgeber behalten Arbeitnehmer immer ihren Vergütungsanspruch.
Der Arbeitnehmer hat Furcht vor einer Corona-Ansteckung. Er bleibt von sich aus zu Hause. Hat er dann Anspruch auf sein Gehalt?
Nein. Arbeitnehmer tragen das sog. Wegerisiko. Beispiel: Auch wenn man im Winter den Betrieb nicht erreichen kann, verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Entgeltzahlung (§ 326 Abs. 1 BGB). Bleiben Arbeitnehmer einfach zu Hause, so fehlen sie unentschuldigt. Sie verweigern also ihre Arbeitsleistung. Ein Leistungsverweigerungsrecht bei Epidemien oder (drohenden) Pandemien besteht nicht. Das Fehlen kann bis zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.
Gilt bei einer Coronavirus-Erkrankung der übliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Bei Erkrankung am Corona-Virus hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz = EfzG). Wie für jeden Arbeitnehmer besteht dieser Anspruch für die Dauer von sechs Wochen. Teilweise sind diese Fristen arbeits- oder tarifvertraglich länger. Freie Mitarbeiter, die es in der Zahnarzt- oder Arztpraxis eher nicht geben sollte, haben diesen Anspruch mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht.
Anders verhält es sich zur Entgeltfortzahlung, wenn wegen Corona-Erkrankung die zuständige Gesundheitsbehörde ein berufliches Tätigkeitsverbot anordnet (§ 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz = IfSG).
Es konkurrieren Entgeltfortzahlungs- und Entschädigungsanspruch miteinander. Es dürfte aber eine Entschädigung durch den Staat in Höhe des Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen in Betracht kommen (§ 56 Abs. 2 und Abs. 3 IfSG). Das gilt für Ausscheider einer Infektion, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige oder sonstige Träger von Krankheitserregern (§ 31 Satz 2 IfSG).
Zunächst allerdings tritt der Praxisinhaber bzw. der Arbeitgeber in Vorleistung für den Staat (§ 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG).
Wie verhält es sich, wenn lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung vorliegt?
Besteht lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung, ist auch hier ein Entschädigungsanspruch anzunehmen. Voraussetzung bleibt, dass das Gesundheitsamt ein behördliches Beschäftigungsverbot angeordnet hat . Das Tätigkeitsverbot kann sich auf einzelne Arbeitnehmer oder die gesamte Praxis bzw. den gesamten Betrieb beziehen.
Ursache für die Arbeitsverhinderung ist dann das Beschäftigungsverbot und nicht die vermutete Krankheit. Deshalb besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Häufig wird überdies ja noch nicht einmal eine Krankheit vorliegen, da nur ein Verdachtsfall besteht.
Die Fälle der Quarantäne sind ebenso zu behandeln: Hier spricht die zuständige Behörde infolge der Quarantäne ein Beschäftigungsverbot aus. Dann besteht ein Entschädigungsanspruch . Erkrankt ist der unter Quarantäne stehende Arbeitnehmer nicht (zwingend). Deshalb kann kein Anspruch aus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen.
Besteht während einer Quarantäne Arbeitspflicht?
Nein. Hat das Gesundheitsamt die Erbringung der Arbeitsleistung verboten, besteht als öffentlich-rechtliche Zwangswirkung das infektionsschutzrechtliche Beschäftigungsverbot. Dies geht der Erkrankung des Arbeitnehmers vor.
Besteht bei einer behördlichen Betriebsschließung der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer?
Voraussetzung ist stets, dass die Praxis bzw. der Betrieb geschlossen wird, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern ein Infektionsrisiko besteht.
Grundsätzlich muss dann der Praxisinhaber bzw. der Arbeitgeber den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer weitertragen. Das gilt für Krankenhäuser, Arztpraxen, MVZ, Pharmahersteller usw.
In jedem Fall sind dann aber von Seiten der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer die Entschädigungsansprüche geltend zu machen, um den Versuch der Risikobegrenzung zu unternehmen.
Erhalte ich bei Praxisschließung eine Entschädigung?
Ärzte haben Anspruch auf Entschädigung, wenn die zuständige Behörde den Praxisbetrieb aus infektionsschutzrechtlichen Gründen untersagt. Das gilt sowohl für Praxisinhaber als auch angestellte Mitarbeiter. Voraussetzung ist das Verbot der Erwerbstätigkeit oder die Anordnung von Quarantäne aus infektionsschutzrechtlichen Gründen.
Wie hoch die Entschädigung ausfällt, richtet sich bei Selbstständigen nach ihrem Verdienstausfall. Grundlage ist der Steuerbescheid (§ 15 SGB IV). Angestellte haben während ersten sechs Wochen Anspruch auf die Höhe des Nettogehaltes, danach auf Krankengeld.
Mitarbeiterschutz am Arbeitsplatz
Erst wenn die Erbringung der Arbeitsleistung in der Praxis unzumutbar ist, darf der Arbeitnehmer dem Arbeitsplatz fernbleiben (§§ 618, 273 Abs. 1 BGB; BAG, Urt. v. 08.05.1996 – 5 AZR 315/95). Unzumutbar werden die Zustände jedenfalls, wenn eine konkrete Ansteckungsgefahr besteht oder der Arbeitgeber konkrete Aufforderungen vom zuständigen Gesundheitsamt nicht befolgt. Der Arbeitgeber muss Schutzmaßnahmen ergreifen und Risiken eliminieren. Diese Fürsorgepflicht umfasst vor allem den gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmer und:
- Aufklärungspflicht über Risiken
- Einhaltung von Hygiene- und Verhaltensregeln
- Einhaltung der Anforderungen, die dem Gesundheitsschutz und der Arbeitssicherheit entsprechen
- Bereitstellen von Desinfektionsmitteln und ggf. Mundschutzen.
Einen weiterführenden Auszug aus dem umfangreichen MedRecht-Corona-Arbeitsrecht-Paket gibt es hier.