MedRecht – Kurzarbeitergeld für Ärzte: Bundesagentur für Arbeit lenkt ein

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat eingelenkt. Die BA teilte nun mit:

„Das Kurzarbeitergeld als Sozialleistung zur Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen ist hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nicht mit den Schutzschirmregelungen vergleichbar. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 95ff. SGB III besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Bis auf die Leistungen für Krankenhäuser gibt es keine Überschneidungen im Anwendungsbereich (s. nachstehend Ziffer 2.2). Eine Anrechnung ist daher rechtlich nicht möglich.“

Damit hat die BA auf erheblichen Druck aus u.a. der Ärzteschaft, der Anwaltschaft und auch MedRecht reagiert. Das BA-Schreiben zum Download:

Vorangegangen war das, was im MedRecht-Beitrag vom 30.04.2020 beschrieben und nachfolgend nochmals eingefügt ist:

Sowohl einige Ärzte als auch einige Krankenhäuser nehmen derzeit Hilfszahlungen in Anspruch und melden zugleich Kurzarbeit an. Ist das eine Sanierung auf Kosten des Staates?

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll jedenfalls entsprechende Anträge auf Kurzarbeitergeld abgelehnt haben. Sie habe dies mit dem Erhalt von Hilfszahlungen (hier: Ausgleichszahlungen) begründet.

Hierauf hat nun – mit leichter Verzögerung – auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gegenüber dem Bundesarbeitsminister reagiert (hierzu unten unter „MedRecht-Hinweis“ –  dort für Zahnärzte auch das MUSTER für einen Widerspruch).

Die Bundesregierung hatte kürzlich einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschaffen. Dieser gelockerte Zugang gilt rückwirkend ab dem 01.03.2020 und ist befristet bis zum Ablauf des 31.12.2021.

Voraussetzungen

Die Kurzarbeit muss im Arbeitsvertrag (oder Tarifvertrag) geregelt sein. Anderenfalls müssen Zahnärzte/ Ärzte mit ihren Angestellten eine individuelle Vereinbarung über beabsichtigte Kurzarbeit in ihrer Praxis vereinbaren. Die Kurzarbeit ist der Agentur für Arbeit vom Arbeitgeber anzuzeigen. Für die Gewährung von Kurzarbeitergeld muss Folgendes vorliegen:

  • Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
  • Kurzarbeitergeld erhalten nur sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter
  • Das Arbeitsverhältnis darf nicht beendet sein oder werden
  • Mitarbeiter dürfen nicht wegen Krankheit vom Kurzarbeitergeld ausgeschlossen werden

Neue Erleichterungen wegen der Corona-Pandemie

Die Bundesregierung hat folgende Erleicherterungen für das Bestehen eines Anspruchs auf Kurzarbeitergeld beschlossen:

  • Anspruch besteht, wenn mind. 10% der Beschäftigten einen Entgeltausfall von mehr als 10% haben
  • Sozialversicherungsbeiträge werden für ausgefallene Arbeitsstunden zu 100% erstattet.
  • Auch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld
  • In Betrieben mit Arbeitszeitschwankungen wird auf den Aufbau negativer Arbeitszeitkonten verzichtet.

Informationen finden Sie auch bei der Bundesagentur für Arbeit einschließlich Video-Hinweise.

Dauer der Kurzarbeit und Sozialversicherungsbeiträge

Die Agentur für Arbeit zahlt das Kurzarbeitergeld höchstens 12 Monaten. Diesen Zeitraum darf die Regierung aufgrund außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem gesamten Arbeitsmarkt auf 24 Monate verlängern. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes muss der jeweiligen Arbeitgeber nachvollziehbar selbst berechnen und an die Mitarbeiter auszahlen. Besteht ein Anspruch auf Kurzarbeit, bekommt er das Geld von der Agentur für Arbeit erstattet.

MedRecht-Hinweis:

Aktuell besteht Rechtsunsicherheit. Unsicher ist, ob niedergelassene Ärzte die Vorteile aus Kurzarbeitergeld und Zahlungen aus dem „Corona-Hilfspaket“ gewährt erhalten (dürfen) oder ob dies nur alternativ zulässig ist.

Hierzu widersprechen sich aktuell gesetzliche Regelungen und die Praxis von bspw. Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und der Bundesagentur für Arbeit (BA). Eine parallele Gewährung ist, soweit für MedRecht ersichtlich, gesetzlich nicht ausgeschlossen. Gegenteilig sieht dies die BA laut fachlicher Weisung (Az.: 75095/7506), weil die Ausgleichszahlungen einer Betriebsausfallversicherung gleichkämen. Das berichtet die ÄrzteZeitung hier. Die MedRecht-Prüfung ergab, dass zum Stand 30.04.2020 eine solche fachliche Weisung der BA nicht hier – wie sonst stets üblich – veröffentlicht ist.

Neben den niedergelassenen Ärzten stehen die Krankenhäuser übrigens vor der gleichen Problematik (und stehen aktuell in medialer Kritik, vgl. hier ARD). Die Krankenhäuser erhalten als Folge des Krankenhausentlastungsgesetzes (vgl. hier) Hilfszahlungen. Parallel haben zumindest einige Krankenhäuser Kurzarbeit angemeldet. Denn die Hilfzahlungen von 560,00 € pro Tag und leerem Bett würden nicht ausreichen (vgl. hier).

MedRecht hält die fachliche Weisung der BA oder die angekündigte Handhabung für wohl rechtswidrig, was natürlich einzelfallabhängig ist. Aus den aktuellen gesetzlichen Regelungen folgt kein Ausschluss der Parallelität von Kurzarbeitergeld und Hilfspaket-Zahlungen. Von Anträgen auf Kurzarbeitergeld muss keineswegs abgesehen werden. In Betracht könnte die Akzeptanz eines Nachrangs bei Aufrechterhaltung einer vorläufigen Gewährung kommen. Dann wäre der Nachweis zu führen, dass trotz sonstiger Leistungen Kurzarbeit unvermeidbar war. Ob dann im Fall der Versagung, die nicht an das Gesetz anknüpfen kann, einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen zu ergreifen sind, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Allerdings ist eine „Ausgleichszahlung“ aus dem Corona-Hilfspaket in der Höhe zu mindern, in der der vertragsärztliche Leistungserbringer Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder finanzielle Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen erhält“ (§ 87a Abs. 3b Satz 3 SGB V).

Es war nicht nachvollziehbar, dass und warum die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Einschätzung der Bundesagentur ohne eigene Kommentierung veröffentlichte (vgl. hier) und auf diese Weise die Ärzteschaft verunsicherte.

Mit Verzögerung am 29.03.2020 die KBV dann doch reagiert. Sie teilte hier (Strg + klicken, um Link zu folgen) mit, sich an den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gewandt zu haben. Die BA könne Kurzarbeitergeld nicht pauschal verweigern. Es komme auf eine Einzelfallprüfung an. „Selbst wenn die in der internen Weisung für den vertragsärztlichen Anteil einer Praxis getroffene pauschale Aussage zutreffen sollte, ist sie in ihrer Pauschalität für den Gesamtumsatz einer Praxis regelhaft unzutreffend“, so die KBV.

Hinzuweisen ist noch darauf, dass Zahnärzte – wie zuletzt von der BA angenommen – gerade keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben (§ 87a Abs. 1 letzter Halbsatz SGB V). Deshalb ist es in aller Regel rechtswidrig, wenn die BA gegenüber einem Zahnarzt den Antrag auf Kurzarbeitergeld mit der Begründung ablehnt, er erhalte Ausgleichszahlungen. Das MUSTER für einen Widerspruch gegen Ablehnung des KuG finden Sie hier:

Entschädigungen, Entgeltfortzahlung, Freistellung

Ergänzend finden Sie im Corona-Arbeitsrecht-Paket MedRecht-Antworten rund um Fragen zu:

  • Entschädigungen bei Quarantäne (Betriebsschließung)
  • Entschädigungen für den Ausfall von Mitarbeitern
  • Entgeltfortzahlung bei Corona-Infizierung oder Verdacht oder dem einfachen Fernbleiben eines Mitarbeiters von der Arbeit
  • Freistellung von Mitarbeitern