MedRecht – G-BA entlastet Ärzte und Krankenhäuser

Arztpraxen und Krankenhäuser werden entlastet, Ínfektionsrisiken für Patienten verringert. Das beschloss heute der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Es handelt sich um ein zeitlich befristete Sonderregelungen.

Den Beschlusstext finden Sie hier. Die Sonderregelungen betreffen folgende Richtlinien bzw. Regelungen – hier zunächst ein Überblick:

Flexiblere Verordnungsmöglichkeiten durch Krankenhäuser

Krankenhausärztinnen und -ärzte können im Rahmen des sogenannten Entlassmanagements für bis zu 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus häusliche Krankenpflege, Spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Soziotherapie, Heil- und Hilfsmittel verordnen (bisher 7 Tage). Dies gilt insbesondere dann, wenn der behandelnde Arzt das zusätzliche Aufsuchen einer Arztpraxis vermeiden möchte.

Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern

Die zeitliche Vorgabe für die Aufnahme von beatmungspflichtigen Intensivpatienten auf die Intensivstation – innerhalb von 60 Minuten nach Krankenhausaufnahme – wird ausgesetzt, da sie bei einer sehr starken gleichzeitigen Inanspruchnahme der Krankenhäuser in der erwarteten Hochphase der COVID-19-Erkrankungen gegebenenfalls nicht umsetzbar ist. Eine hieraus entstehende zusätzliche finanzielle Belastung der Krankenhäuser wird dadurch vermieden. Ziel bleibt eine schnellstmögliche Aufnahmebereitschaft für beatmungspflichtige Intensivpatienten.

MedRecht-Anmerkung: Hierbei könnte es sich um eine Herabsetzung des sogenannten medizinischen Standards (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V – Behandlung lege artis) handeln. Diskutabel ist, ob dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Fraglich ist auch, ob hierdurch staatliche Schutzpflichten ausgehöhlt werden (Art. 2 Abs. 2 GG, vgl. Gröschl Substitution und erweiterte Delegation ärztlicher Leitsungen, 2015, S. 111 ff.) .

Weitere Ausnahmen von Anforderungen an die Qualitätssicherung

Zur Unterstützung der Krankenhäuser und Ärzte hat der G-BA Ausnahmen von Anforderungen an die Qualitätssicherung beschlossen. Hierbei geht es um Änderungen der Regelungen zur Datenvalidierung, zum strukturierten Dialog und zum Stellungnahmeverfahren. Außerdem hat der G-BA weitere Dokumentations- und Nachweispflichten ausgesetzt. Betroffen sind folgende Richtlinien:

  • Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern (QSKH-RL)
  • Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL)
  • Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL)
  • Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren (plan. QI-RL)
  • Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL)
  • MDK-Qualitätskontroll-Richtlinie (MDK-QK-RL)
  • Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Qb-R)
  • Mindestmengenregelungen

Das ursprünglich für Mitte des Jahres 2020 vorgesehene Inkrafttreten der Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur (QSFFx-RL) wird auf den 01.01.2021 verschoben.

Mammografie-Screening: Befristete Aussetzung der Einladungen

Einladungen zur Teilnahme am Screening werden vorerst bis zum 30.04.2020 nicht versandt. Nach Beendigung der Aussetzung werden die anspruchsberechtigten Frauen umgehend nachträglich eingeladen.

Fristenregelungen bei der Verordnung ambulanter Leistungen werden gelockert

Die Richtlinien des G-BA enthalten auch Fristen zur Gültigkeit von Verordnungen oder Angaben dazu, bis wann eine Verordnung zur Genehmigung bei der Krankenkasse vorgelegt werden muss. In folgenden Bereichen hat der G-BA Fristen verlängert oder ganz ausgesetzt:

Die Vorgaben, in welchem Zeitraum Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln ihre Gültigkeit verlieren, werden vorübergehend ausgesetzt.

Im Bereich der häuslichen Krankenpflege können Folgeverordnungen für bis zu 14 Tage rückwirkend verordnet werden. Voraussetzung ist, dass aufgrund der Ausbreitung von COVID-19 eine vorherige Verordnung durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt zur Sicherung einer Anschlussversorgung nicht möglich war. Außerdem hat der G-BA die Begründung der Notwendigkeit bei einer längerfristigen Folgeverordnung ausgesetzt. Darüber hinaus kann die Erstverordnung für einen längeren Zeitraum als 14 Tage verordnet werden. Zusätzlich ist die Frist zur Vorlage von Verordnungen bei der Krankenkasse von 3 Tagen auf 10 Tage verlängert. Dies gilt auch für Verordnungen der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sowie der Soziotherapie.

Arzneimittel

Ärzte dürfen eine Verordnung von Arzneimitteln auch nach telefonischer Anamnese ausstellen. Die Verordnungsmöglichkeiten von Krankenhäusern bei Entlassung einer Patientin oder eines Patienten werden flexibilisiert.

Disease-Management-Programme (DMP)

Sofern zur Vermeidung einer Ansteckung mit COVID-19 geboten, müssen Patientinnen und Patienten 2020 nicht verpflichtend an Schulungen teilnehmen. Die ärztliche Dokumentation von Untersuchungen der in ein DMP eingeschriebenen Patientinnen und Patienten ist für das erste bis dritte Quartal 2020 nicht erforderlich.

Folgeverordnung von ambulanten Leistungen auch nach telefonischer Anamnese möglich

Ärzte können Folgeverordnungen auch nach telefonischer Anamnese für häusliche Krankenpflege, für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, Krankentransporte und Krankenfahrten sowie Heilmittel (letztere auch durch Zahnärztinnen und Zahnärzte) ausstellen. Voraussetzung ist, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann dann postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden.

Krankentransport

Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen von nachweislich an COVID-19-Erkrankte oder von Versicherten, die aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne stehen, bedürfen vorübergehend nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Zudem werden die Fristen für die Verordnung von Fahrten zu einer vor- oder nachstationären Behandlung erweitert: Fahrten zu vorstationären Behandlungen können für 3 Behandlungstage innerhalb von 28 Tagen vor Beginn der stationären Behandlung und Fahrten zu nachstationären Behandlungen können für 7 Behandlungstage innerhalb von 28 Tagen verordnet werden.

Arbeitsunfähigkeit

Die Arbeitsunfähigkeit bei Versicherten mit Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, darf für einen Zeitraum von bis zu 14 Kalendertagen auch nach telefonischer ärztlicher Anamnese festgestellt werden. Dies gilt auch für Versicherte, bei denen bereits ein Verdacht auf Infektion mit dem Coronavirus besteht. Zudem können Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus im Rahmen des sogenannten Entlassmanagements nicht nur für eine Dauer von bis zu 7 Kalendertagen, sondern nunmehr bis zu 14 Kalendertagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus Arbeitsunfähigkeit bescheinigen.

Zentrums-Regelungen

Krankenhäuser, die bereits vor Inkrafttreten der Zentrums-Regelungen im Krankenhausplan besondere Aufgaben wahrgenommen haben, haben weitere sechs Monate Zeit, die vorgegebenen Qualitätsanforderungen umzusetzen. Hierdurch können zusätzliche Ressourcen in der Hochphase der COVID-19-Erkrankungen genutzt werden.

Die Beschlüsse wurden aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände gemäß § 9 Absatz 2 Satz 4 Geschäftsordnung des G-BA im schriftlichen Abstimmungsverfahren gefasst. Sie treten nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit teilweise auch rückwirkend in Kraft.

Sämtliche vom G-BA beschlossene Sonderregelungen sind auf den Internetseiten des G-BA zu finden.